Die zehn meistverfolgten Accounts im österreichischen Twitterranking von socialmediaradar.at sind Journalisten, Printmedien und Anonymous Austria. Der erste Organisationsaccount, der keinem Medium gehört, folgt erst auf Platz 28 (Ärzte ohne Grenzen), der erste Firmenaccount gar erst auf Platz 63 (vi knallgrau). Anders als Facebook mit seiner vergleichsweise klaren Einteilung in persönliche Profile und öffentliche Seiten gibt es bei Twitter alle Arten von Accounts unter dem selben Dach: Der “Twitter-Handler” kann für eine echte oder fiktive Person oder eine Organisation erstellt werden. Was ist jetzt aber “besser”, wenn man eine Organisation repräsentiert, den privaten Account verwenden, einen eigenen Firmenaccount anlegen oder als Firma selbst twittern?
Gesicht oder Logo: Es kommt drauf an
Der eigenen Gründungslegende nach ist Twitter ein Tool dass man zwischendurch verwendet. Ein Tool mit dem sich Mitarbeiter auf dem laufenden halten, was sie grad so tun. Zwischendurch hiess dabei: in der Zeit zwischen zwei langen Blogposts, in der man keine Zeit hat was längeres zu schreiben aber trotzdem die anderen auf dem Laufenden halten möchte, was man so tut und treibt.
Auch das Common Craft Twitter-Video aus 2008 beschreibt diese Art von Tweets, kurze persönliche Blurbs wie “Hab den Buss versäumt.” oder “Es schneit in Boston.”, “Neuer Kunde ist unter Vertrag” oder “Seh mir grad die letzte Folge von xyz an.”
In der täglichen Praxis ist Twitter aber seit jeher viel mehr als eine solche Sammlung an 140 Zeichen langen Status-Updates. Es ist zusätzlich ein Entdeckungskosmos für interessante Links und Artikel, ein asynchroner Chat-Kanal und ein Live-Chat neben der laufenden Nachrichtensendung, ein anderen-beim-lesen und diskutieren-über-die-Schulter-schau-Netzwerk und natürlich ist es auch die Domaine der 140-Zeichen-Stand-up-comedians und aller die es noch werden möchten.
Wie die meisten Social Media Kanäle eignet sich aber auch Twitter nicht wirklich dazu ausschließlich eigene Inhalte “anzuteasern”, wie das zuletzt auch das Presseteam des österreichischen Bundeskanzlers feststellen musste, Social Media Kanäle sind immer auch Kommunikationskanäle und wer den Rückkanal nicht bedient (oder bedienen will), der sollte die Finger davon lassen, ob als Person oder als Organisation. Hier aber ein paar Entscheidungshilfen für die Auswahl der passenden Twitter-Strategie ihrer Organisation.
Twittern mit Organisationaccount
Es gibt eigentlich nur zwei wirklich gute Gründe einen eigenen Firmenaccount aufzubauen: Am besten ist man hat eine starke, wohlgelittene Marke wie Red Bull, Coca-Cola oder Lady Gaga, aber wenn man das hat dann ist es egal auf welchem Kanal man sich bewegt. Man braucht nur genügend Inhalte und eventuell auch genug Mitarbeiter, um die Kommunikationsbedürfnisse der Social Media Nutzer zu befriedigen.
Der zweite Grund ist wenn man spezifischen Kundensupport mit mehreren Mitarbeitern anbieten möchte wie es zB. der Prezi-Support macht. Die amerikanische Elektrokette BestBuy hat im Rahmen der Kampagne “Twelpforce” zur Stärkung ihrer Marke ein Backend programmiert mit dem hunderte Mitarbeiter über einen einzigen Twitter-Account Kundensupport anbieten. Aber das sind eher die Ausnahmen.
Als ganz normale Firma bleibt einem eigentlich nur dieser Weg: einen oder noch besser mehrere erfahrene Twitterer als Mitarbeiter zu haben, die der Organisation auf Twitter ein virtuelles Gesicht verleihen können (aber darüber auch den eigenen Account nicht vernachlässigen sollten). @knallgrau legt diese Mitarbeiter (mitsamt ihrer Twitter-Handler) in der Account-Bio sogar offen.
Auch eine Möglichkeit: auf Konferenzen und Veranstaltungen – traditionell Orte, an denen sich viele hochwertige Follower “einsammeln” lassen – jemanden buchen der’s kann und den für diesen Zeitraum für die Organisation twittern lassen. Wenn danach allerdings Mentions zwei Wochen lang unbeantwortet bleiben, dann bringt das gar nichts.
Twittern mit dem eigenen Account
Viele größere Firmen haben zB ihre Pressesprecher als Twitterer (ob sie’s wollen oder nicht – Twitter ist ein Biotop voller Journalisten und Multiplikatoren, das lässt sich ein guter Medienarbeiter nicht entgehen). Manchmal stehen in den Twitter-Kurzbios dieser Leute dann Sätze wie “arbeite für xy, Tweets sind meine Meinung”. Damit kann man signalisieren, dass da schon immer auch was arbeitsbezogenes daherkommen wird (Link zum firmeneigenen Blogpost zb.) aber die meiste Zeit eben nicht. Twitter ist ein persönliches Medium, und wer die Möglichkeit hat das zu nutzen, kommt damit – vor allem auch als kleinere Firma – sicher weiter als mit einem gesichtslosen Firmenaccount. Das Risiko: wenn die Person die Firma verlässt nimmt sie ihre Follower natürlich mit. Lösung: bei der Nachfolgesuche darauf Wert legen, jemanden mit zumindestens genauso vielen Twitterfollowern zu finden
Diese scheinbare Zweiteilung der Accountagenda kann dem der ihn bedient natürlich zu schaffen machen, aber auch ein Firmenaccount dürfte nicht dazu missbraucht werden ausschließlich auf Blogposts des Firmenblogs zu verlinken, bei einer echten Person ergibt sich die für Twitter so wichtige “g’sunde Mischung” an Hochwertigem und Trivialem, Persönlichem und Offiziellem ganz natürlich. Wirbt man einmal direkt und quasi unverschämt für ein firmeneigenes Produkt, kann man ja “Disclaimer: zahlt meine Miete” zur Erklärung dranhängen.
Twittern mit einem personalisierten Firmen-Zweitaccount
Auch diese Variante erfordert für die alltägliche Kommunikation jemanden der bereits gut twittern kann. Wenn man eine Marke repräsentiert, die selber nicht twittert aber Leute interessiert, kann man auf diese Weise auch genügend Follower sammeln, aber halt nicht ganz so viele. Zum Vergleich: @teamkanzler hat 2.700 Follower, die Teamkanzler-Leitern Angelika Feigl @bkaangel 1.642. Der Vorteil von Angelika Feigl: sie kann ihren eigenen Account bespielen und auch ohne langwierige Abstimmungsprozesse kommunizieren, etwas woran die Bespielung von @teamkanzler gescheitert sein dürfte.
Die Computerfirma Dell hat lange Zeit diese Variante favorisiert, ist inzwischen aber zu Logo-Accounts gewechselt, eine Änderung der Strategie, die es Kunden leichter machen sollte, ihr Anliegen an den richtigen – von über einem dutzend – Dell Accounts zu schicken. Ein Lernprozess, der der Twitter-Ausrichtung Dells geschuldet ist (Support für Endkunden) und kann für Marken, die auf Twitter keinen Full-Service-Support bieten (möchten), nicht empfohlen werden.
Und hier schliesst sich der Kreis: Twitter zu nutzen ist immer auch ein Baustein in der Gesamtkommunikationnsstrategie der Marke: Wen will ich erreichen? Was will ich ihm oder ihr mitteilen? Wie will ich gesehen werden? Bevor ich diese Fragen nicht beantwortet habe kann ich auch nicht sagen ob ich dann zu guter letzt unter @diefirma, @diefirma_susihuber oder @susihuber gefunden werden will.
Und egal ob der Account ein Gesicht hat oder nicht: Twitter ist ein Kommunikationsmedium kein persönlicher Pressekanal. Das Geheimniss auf Twitter sichtbar zu werden liegt in der Kommunikation. Schnell antworten, persönlich sein, sich nicht hinter Links zu Presseaussendungen verstecken, in der Kurzbio klar sagen weshalb man da ist, auf Konferenzen und Veranstaltungen live berichten und einen interessanten Kanal für seine Follower aufbauen. Dann klappts auch mit der Klout